FQAD Support

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Ursache von Sehnenerkrankungen

Risikofaktoren für Sehnenerkrankungen

Bevor wir auf die einzelnen Ursachen von Sehnenerkrankungen eingehen, ist es sinnvoll einen Blick auf bekannte Risikofaktoren für die Entstehung einer Tendinopathie zu werfen. Gerade bei PatientInnen mit Fluorchinolon-induzierten Sehnenschmerzen mit erhöhtem Rupturrisiko ist dies wichtig. Wir müssen wissen, welche Faktoren für die Sehne ein Risiko darstellen.

Die Risikofaktoren für Sehnenerkrankungen können in intrinsische und extrinsische Faktoren unterteilt werden.(4)

Zu den intrinsische Risikofaktoren gehören die biomechanische Dysfunktion (Fehlstatik), das Alter (degenerative Veränderungen der Sehne korrelieren mit höherem Alter) sowie eine muskuläre Schwäche.(4)

Zu den extrinsische Risikofaktoren gehören die Überbelastung , insbesondere eine plötzliche Aktivitätssteigerung sowie repetitive Belastung des Gewebe.(4)

Einige der oben genannten Faktoren können durch gewisse Massnahmen optimiert werden. So ist es z.B. lohnenswert eine Analyse durchzuführen, ob bei sich selbst eine Fehlstatik vorliegt und ob jene durch z.B. sensomotorisch Einlagen optimiert werden kann. Ebenfalls ist das Bewusstsein, dass repetitive Belastungen sowie plötzliche Aktivitätssteigerung ein Risiko darstellen können, essenziell – gerade bei FQAD-Patienten.

Ursache von Sehnenerkrankungen: Chronische Überlastung 

Eine der häufigsten Ursachen für eine ausbleibende Besserung der Sehnenschmerzen respektive akute Verschlechterung ist die chronische mechanische Überlastung. Unter physiologischen Konditionen fördert Training die Kapazität der Sehne. Wird die individuelle Grenze des Gewebes jedoch überschritten, kann es zu Mikrotraumatas (Mikrorisse) kommen. Gibt man der Sehne genügend Zeit für Regeneration und hat sie gute lokale Bedingungen (Blutversorgung, Nährstoffe), kommt es zur vollständigen Regeneration. Ist die Regenerationszeit jedoch zu kurz und der Blutfluss inadäquat, kommt es zur kontinuierlichen Schädigung der Sehne.(1)

Sehnen reagieren auf wiederholte Überlastung entweder durch Entzündung der Scheide, durch Degeneration der Sehne selbst oder durch eine Kombination von beidem.(2) Entzündungen von Sehnenscheiden sind besonders schmerzhaft, mehr dazu im Artikel über die eigentlichen Ursachen von Sehnenschmerzen.

Ursache von Sehnenerkrankungen: Mitochondriale Dysfunktion und oxidativer Stress

Kommen wir zu einer sehr interessanten Frage besonders in Bezug auf Sehnenschmerzen verursacht durch Fluorchinolone: Ist eine mitochondriale Dysfunktion Ursache von Sehnenerkrankungen?

Die Wirkung von Fluorchinolon-Antibiotika auf die mitochondriale Funktion wurde gut dokumentiert. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht kein Zweifel daran, dass viele der chronischen Symptome bei Betroffenen mit FQAD durch eine Dysfunktion der Mitochondrien verursacht ist. Trifft dies jedoch auch auf die Schädigung der Sehnen zu? Schauen wir uns dazu die aktuelle Literatur an.

Eine sekundäre mitochondriale Dysfunktion, unabhänig von Fluorchinolon-Antibiotika, als Ursache einer Tendinopathie wurde bereits postuliert. Es besteht eine Assoziation zwischen oxidativem Stress und chronischer Tendinopathie, reduzierter Kollagensynthese, reduzierter Proteoglykan-Synthese sowie pathologischer Sehnenverkalkungen. In der Elektronenmikroskopie konnte eine reduzierte Anzahl von Mitochondrien gezeigt werden. Beispielsweise wurde in einer Studie in einem Tiermodell der Maus mit Supraspinatus Tendinopathie, induziert durch subakromiales Impingement, eine Veränderung der Mitochondrien nachgewiesen. Nachdem die Ursache des Impingement entfernt wurde, erholten sich die Mitochondrien graduell mit einer daraufhin folgenden Heilung der Sehne. Im gleichen Tiermodell konnte gezeigt werden, dass die Superoxid Dismutase (SOD), ein ubiquitär im Mitochondrium vorhandenes Enzym, welches das Superoxid-Radikal in Sauerstoff und Wasserstoffperoxid umwandelt, deutlich reduziert war. Die Aktivität der SOD erhöhte sich ebenfalls nach der Entfernung des Impingements. Es wird also spekuliert, dass eine mitochondriale Dysfunktion respektive oxidativer Stress Ursache sowie deren Therapie auch Teil der Heilung von Tendinopathien sein kann.(3)

Ursache von Fluorchinolon-induzierten Sehnenerkrankungen

Die Schädigung des Kollagengewebes durch Fluorchinolon-Antibiotika beruht auf unterschiedliche Mechanismen. Im folgenden Text wird auf folgende Eigenschaften eingegangen:

Die Schädigung des Kollagengewebes durch Fluorchinolon-Antibiotika beruht auf unterschiedliche Mechanismen. Im folgenden Text wird auf folgende Eigenschaften eingegangen:

  • Einfluss auf den Metabolismus von Tenozyten und Einfluss auf Matrix-Metallo-Proteinasen
  • Einfluss von oxidativen Stress auf die Entstehung von Sehneerkrankungen nach Fluorchinolon-Gabe
  • Chelation von zweiwertigen Kationen sowie deren Folgen
  • Wirkung von Fluorchinolon-Antibiotika auf die Hydroxylierung von Prolin zu Hydroxyprolin in der Kollagensynthese
Metabolismus von Tenozyten und Einfluss auf Matrix-Metallo-Proteinasen

Fluorchinolone wirken primär über die Inhibition der bakteriellen DNA-Gyrase, sowie der Topoisomerase IV. Leider haben Levofloxacin, Moxifloxacin & Co. einen direkten Effekt auf den Metabolismus von Fibroblasten. Tenozyten(3,4), sehnenspezifische Fibroblasten, produzieren Kollagen und Elastin, wobei Kollagen für die Stabilität und Elastin für die Elastizität von Sehnen verantwortlich ist.(1, 5)

In Tierstudien konnte gezeigt werden, dass Fibroblasten der Achillessehne, Paratenon und Schulterkapsel nach Exposition zu Ciprofloxacin in physiologischen Konzentrationen vermehrt Matrix degradieren, vermindert neue Matrix synthetisieren sowie die Zellproliferation reduziert war.(5)

Matrix-metalloproteinasen (MMPs) sind Enzyme mit der Funktion des Remodelings von Sehnen.(5) Dieses Remodeling ist entscheidend für die Anpassung der Sehne an Aktivität und steuert den Auf- und Abbau vom Gewebe. Es besteht eine unterschiedliche Expression von MMPs in gesunden im Vergleich zu degenerativen Sehnen beim Menschen. Daher besagt eine Theorie, dass MMPs Einfluss auf die Entstehung von Tendinopathien haben.(5)

Die MMP-3 Expression und Aktivität ist in Sehnen erhöht, welche hohe mechanische Belastungen aushalten müssen wie z.B. die Achilles- oder Supraspinatussehne, da wahrscheinlich vermehrtes Remodeling aufgrund repetitiver Mikrotraumata notwendig ist.(5)

In Studien konnte gezeigt werden, dass nach Exposition zu Ciprofloxacin die Expression von MMP-3 sowie MMP-1 in menschlichen Fibroblasten aus Sehnenzellen steigt.(5) Sind MMPs hochreguliert, führt dies zu dünneren und verminderten Kollagenfibrillen.

Dies ist möglicherweise die Ursache für die reduzierte Menge an Kollagen Typ I, Elastin, Fibronektin und Beta-1-Integrin, welche in Sehnen nach Exposition mit Ciprofloxacin gefunden wurde.(5)

Aufgrund dieser Veränderungen kann es nach Behandlung mit Fluorchinolon-Antibiotika akut zu Sehnenruptur kommen, speziell in Sehnen mit reduzierter Regenerationskapazität und Sehnen, die vorher schon strukturell beeinträchtigt waren.(5)

Interessanterweise hat der Versuch, Matrixmetalloproteinasen mit (natürlichen) Substanzen zu inhibieren, als Therapie der Fluorchinolon-induzierten Sehnenschmerzen bisher wenig Erfolg gezeigt. Genaueres dazu im Artikel zur Therapie der Fluorchinolon-assoziierten Sehnenerkrankungen.

Der Einfluss von oxidativem Stress auf die Entstehung von Sehnenerkrankungen

Nach der Exposition zu einem Fluorchinolon-Antibiotikum ist der oxidative Stress deutlich erhöht. Es besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen oxidativem Stress und der Induktion von MMP-2, daher geht man heute davon aus, dass oxidativer Stress für die Sehnentoxizität mitverantwortlich ist. Diese Hypothese wird ebenfalls bestärkt durch Studien, die zeigen konnten, dass die Sehnentoxizität der Fluorchinolon-Antibiotika durch die Gabe von Antioxidantien wie Vitamin E oder Coenzym Q10 vermindert werden kann.(5)

Die oxidative Schädigung von Mitochondrien in Sehnenzellen nach Exposition mit Fluorchinolon-Antibiotika wurde also bereits bestätigt.(5) Aus unserer Sicht ist dies ein klarer Hinweis darauf, dass auch bei den Sehnenerkrankungen durch Fluorchinolone eine sekundäre Mitochondriopathie bedeutsam ist.

Chelation von zweiwertigen Kationen sowie deren Folgen

Neben der Wirkung auf die Fibroblasten sind Fluorchinolone bekannt für die Chelatierung von 2- und 3-wertigen Kationen wie Kalzium, Magnesium, Eisen oder Zink.(5) Magnesium und Eisen sind, neben Vitamin C, wichtige Co-Faktoren der Hydroxylierung von Prolin zu Hydroxyprolin(6) und somit auch entscheidend für die Kollagensynthese.

Zusätzlich sind Magnesium und andere Kationen bekannt dafür, dass sie eine direkte Wirkung auf die Regulation von Integrinen haben. Integrine sind Transmembranproteine, welche involviert sind in die strukturelle Stabilität von Zellen, wie z.B. Anhaftung von Zellen an die extrazellulären Matrix oder an anderen Zellen. Heute geht man davon aus, dass Integrine essenziell für die Aufrechterhaltung der Integrität von muskuloskelettalen Gewebe sind.(5)

Interessanterweise konnten ähnliche biochemische Veränderungen gezeigt werden bei Tieren unter einer künstlichen Diät mit Magnesium-Defizit für sechs Wochen und bei Tieren nach Behandlung mit einem Fluorchinolon-Antibiotikum.(5) Dies stärkt die Hypothese, dass die Toxizität von Ciprofloxacin und Co. u.a. mit der Chelation von Magnesium zusammenhängt.(5)

Daher ist die tägliche hochdosierte Gabe von Magnesium in der Therapie von Fluorchinolon-induzierten Sehnenschmerzen empfohlen. Eine Substitution von Vitamin C als Co-Faktor der Hydroxylierung von Prolin erscheint aus der Literatur ebenfalls sinnvoll, gerade in Anbetracht dessen, dass die meisten Betroffenen in Laboruntersuchungen einen niedrigen Vitamin-C-Spiegel aufweisen.

Die Wirkung von Fluorchinolon-Antibiotika auf die Hydroxylierung von Prolin zu Hydroxyprolin in der Kollagensynthese

Wie beschrieben kommt es durch Fluorchinolon-Antibiotika zur Inhibition der Prolyl-4-Hydroxylase, das Enzym, welches die Aminosäure Prolin zu Hydroxyprolin hydroxyliert.(7) Die Hydroxylierung von Prolin findet im rauen Endoplasmatischen Retikulum statt und erfordert u.a. Askorbinsäure (Vitamin C).(8) Weitere Kofaktoren sind Magnesium und Eisen sowie Alpha-Ketoglutarat.6 Alpha-Ketoglutarat ist ein Schlüsselprodukt des Krebszyklus.(9)

Es bestand bisher die Idee, das fehlende Hydroxyprolin durch z.B. Kollagenpulver zu substituieren. Aus unserer Erfahrung kann bisher nicht eindeutig gezeigt werden, dass die regelmässige Substitution einen positiven Effekt auf die Sehnenschmerzen hat.

Viel häufiger hilft es den Betroffenen, eine Magnesium zu substituieren. Magnesium wirkt als natürlicher NMDA-Inhibitor im ZNS. Oft korrelieren Schmerzen bei FQAD PatientInnen nicht mit einer objektivierbaren Schädigung der Sehne oft nicht korrelieren und man eher davon ausgeht, dass ein lokales Zusammenspiel zwischen Sehnengewebe und -peripheren sowie zentralen Nervensystem die potenzielle Ursache der starken Schmerzen der Betroffenen ist. Die Beobachtung, dass Magnesium oder Medikamente gegen Nervenschmerzen häufiger zu einer Linderung der Sehnenschmerzen führen als beispielsweise die Substitution von Kollagen oder Vitamin C, untermauert diese Theorie.

Aufgrund der geringen Toxizität von den Co-Faktoren der Hydroxylierung von Prolin (z.B. Vitamin C) sowie von natürlichen MMP-Inhibitoren (z.B. Propolis) ist in Anbetracht des Schweregrades der Behinderung durch Fluorchinolon-assoziierte Sehnenerkrankungen sowie Mangelns weiterer Alternativen eine Substitution jener Substitutionen oft trotzdem gerechtfertigt. Weitere Informationen dazu in unserem Artikel über die Therapie der Fluorchinolon-assoziierten Sehnenerkrankung.

 

Marco Karrer B.Med

Vielen Dank für die Mitarbeit: Andrea Gall (Rechtschreibung), Ferdinand Dirsch (SEO, Ergänzungen, Übersetzung ins Englische), Michael Rosar (Inhalt, Vereinfachungen), Patrick Horisberger (Inhalt, Vereinfachungen),

Erste Publikation: 28.05.2023
Update 15.01.2023

 

Quellen:

  1. Pathogenesis of tendinopathies: inflammation or degeneration? Michele Abate et al.
  2. Biology of tendon injury: healing, modeling and remodeling P. Sharma and N. Maffuli; 2006
  3. Mitochondrial Dysfunction and potential mitochondrial protectant treatments in Tendinopathy, Xueying Zhan et al. 2021 DOI: 10.1111/nyas.14599
  4. https://www.amboss.com/de/wissen/Tendinopathie 
  5. Musculoskeletal Complications of Fluoroquinolones: Guidelines and Precautions for usage in the Athletic Population; Mederic M Hall, Jonathan T Finnoff, Jay Smith
  6. Mitochondrien, Symptome, Diagnose und Therapie; Bodo Kuklinski
  7. Nonantibiotic Effects of Fluoroquinolones in Mammalian Cells; Sujan Badal, Yeng F. Her, L. James Maher
  8. Histologie das Lehrbuch, Ulrich Welsch, Wolfgang Kummer, Thomas Deller Elsevier 5. Auflage 2018
  9. Alpha-Ketoglutarate: Physiological Functions and Applications; Nan Wu et al.

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