FQAD Support

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Definition und Einteilung von Sehnenerkrankungen

Einteilung von Sehnenerkrankungen

Besprechen wir zunächst typische Ursachen für Sehnenschmerzen, unabhängig vom Einfluss von Fluorchinolon-Antibiotika auf das Sehnengewebe. Erkrankungen der Sehne kann man grob in zwei Gruppen einteilen: Erkrankungen ohne Ruptur der Sehne und Erkrankungen mit Ruptur der Sehne.

Sehnenerkrankungen ohne Ruptur

Sehnenerkrankungen ohne Ruptur sind häufig bedingt durch degenerative Veränderungen. Degenerative Veränderungen von Sehnen entstehen zumeist im Alter oder bei chronischer Überlastung.(1) Oft sind Hobbysportler betroffen, welche über die Grenze des Gewebes gehen.

Ebenfalls zu den Sehnenerkrankungen ohne Ruptur gehören entzündliche Erkrankung der Sehnen und/oder Sehnenscheiden.

Sehnenerkrankungen mit Ruptur

Davon klar abzugrenzen sind traumatische Sehnenrupturen, typischerweise der Achillessehne oder Sehnen des Schultergelenks.(1) Bei einer Sehnenruptur reisst das Gewebe entweder komplett oder teilweise, was dann Partialruptur genannt wird. Am häufigsten ist die Ursache eine sofortige Belastung deutlich über der physiologischen Grenze des Gewebe.

Bei einer Ruptur ist die Sehne in zwei Teile gerissen und es braucht eine operative Therapie. Bei einer Teilruptur ist nicht die ganze Sehne gerissen, es besteht also noch ein funktioneller Anteil der Sehne.(2)

Eine gesunde Sehne ist bis zu zwei mal stärker als der dazugehörige Muskel, daher ist eine Sehnenruptur bei einer gesunden Sehne ohne degenerativen Veränderungen unwahrscheinlich ohne gleichzeitige Ruptur des Muskels.(3)

Deshalb findet man zumeist bei einer spontan auftretenden Sehnenruptur histologisch auch eine degenerative Tendinopathie. (4)

Paratendinopathie: Erkrankungen des umliegenden Gewebes

Sehr häufig kommen Schmerzen vom Gewebe um die Sehne. Dies ist abhängig von der Lokalisation im Körper und kann Sehnenscheiden, Schleimbeutel (Bursen) o.Ä. betreffen. Bei Sehnen mit Sehnenscheiden kommt es bei histologischer Untersuchung der akuten Phasen zu fibrinösem Exsudat.(5)Dieses fibrinöse Exsudat kann in der Auskultation zum Teil als Reiben wahrgenommen werden.

Tendovaginitis 

Unter einer Tendovaginitis versteht man eine Sehnenscheidenentzündung, also eine Entzündung der Synovialschicht, welche in den Sehnenscheiden vorkommt.(2,6)

Wenn Sehnenschmerzen im Vordergrund sind muss dementsprechend besonders bei FQAD nach Entzündungen um die Sehne gesucht werden, da sich in unserer Erfahrung häufig zeigt, dass nicht die Sehne selbst sondern umliegendes Gewebe entzündet ist in der Bildgebung. Mehr dazu in unserem Beitrag über die Diagnostik von Fluorchinolon-assoziierten Sehnenschmerzen

Begriffschaos: Tendinopathie, Tendinitis oder Tendinosis?(7)

Tendinopathie

Unter dem Begriff Tendinopathie versteht man alle Erkrankungen der Sehne.7 Das Suffix -pathie bedeutet aus dem griechischen übersetzt Krankheit oder Leiden. (8)

Tendinitis

Eine Tendinitis ist definiert als akute Entzündung des Sehnengewebes aufgrund kleiner Mikrorisse.(3) Typischerweise entsteht dies aufgrund akuter Überlastung der muskulotendinöse Einheit.(3) Früher wurde der Begriff Tendinitis für fast alle Sehnenschmerzen verwendet.(2) Unterdessen wird der Begriff zumeist bei vorhandener Schwellung (Hinweis auf Entzündung) nach Verletzung der Sehne benutzt.(9) Weitere typische Zeichen einer Tendinitis sind eine Überwärmung und lokaler Druckschmerz. Die Literatur zeigt, dass oft nicht Entzündungen sondern degenerative Veränderungen der Sehne die Ursache der Sehnenerkrankung sind, daher sollten die sehr oft diagnostizierten Tendinitiden eigentlich als Tendinopathie oder Tendinosis bezeichnet werden.(3)

Ein typisches Beispiel dafür ist der Tennisellbogen. Der Fachbegriff für einen Tennisellbogen ist eine Epicondylitis lateralis. Der Name Epicondylitis deutet aufgrund der Endung auf eine Entzündung hin. Man geht aber eher davon aus, dass es sich dabei um eine Tendinosis handelt, da in Biopsien keine akute oder chronische Entzündung diagnostiziert werden konnte.(3)

Tendinosis

Unter dem Begriff Tendinosis versteht man eine degenerative Veränderung des Kollagens einer Sehne.(3) Eine Degeneration entsteht häufig durch repetitive Belastung der Sehne mit unzureichender Regenerationszeit.(3) Pathologisch kommt vermehrt unreifes Kollagen Typ III in der Sehne vor im Vergleich zu gesunden Sehnen mit deutlich mehr reifem Kollagen Typ I. Typ III Kollagen wird immer als „immature collagen“ bezeichnet. Es ist weniger stabil und dünner als Typ I Kollagen. 10 In Sehnen kommt viel mehr Typ I Kollagen vor als Typ III(11). Typ III Kollagen kommt physiologisch vermehrt in der Dermis der Haut und Blutgefässen vor,(11) sowie wie oben besprochen pathologisch in Tendinopathien.

Bei einer Tendinosis sind die kollagenen Fasern ausserdem weniger kontinuierlich angeordnet und es besteht eine erhöhte (Neo-)Vaskularisierung, also eine Bildung neuer Blutgefässe.3 Diese vaskulären Strukturen führen nicht zu einer besseren Durchblutung und sind somit nicht assoziiert mit Heilung.3 Eine Theorie ist, dass Sehnenschmerzen durch diese Neovaskularisierung, also die Neubildung von nicht-funktionellen „Blutgefässen“, verursacht sind. Mehr dazu im Artikel über die Ursachen von Sehnenschmerzen

Welche Bedeutung hat nun die Unterscheidung zwischen Tendinitis und Tendinosis?

Das Behandlungsziel bei eine Tendinitis ist die Reduktion der Entzündung, typischerweise mit NSAR und Cortison. Bei vorhandener Tendinosis ist hingegen sind NSAR und Kortison kontraindiziert, da eine Assoziation mit reduzierter Kollagenregeneration besteht.

Die Unterscheidung ist ebenfalls von Bedeutung bei der Einschätzung der Regenerationszeit. Eine Tendinitis heilt in der Regel innerhalb von sechs Wochen ab, wohingegen eine chronische Tendinosis, bei nicht-FQAD PatientInnen, drei bis sechs Monate, manchmal sogar bis zu neun Monaten für die Regeneration braucht. Sehnen benötigen je nach Quelle 50-100 oder mehr Tage, um neues Kollagen zu bilden. (3, 5)

Man sieht also, dass auch bei der nicht Fluorchinolone-induzierten Tendinopathie die Regeneration sehr lange dauern kann. Mehr zur Prognose von Sehnenerkrankungen könnt ihr in dem jeweiligen Artikel lesen.

Generell kann man sagen, dass bei der Tendinosis das Ziel ist, die Kollagenproduktion zu stimulieren, sowie den Teufelskreis von wiederholt zu hoher Belastung zu minimieren. Bei der Tendinitis hingegen ist das Ziel, die Entzündung zu behandeln und allenfalls Narbengewebe und Adhäsionen zu reduzieren. (3)

Insgesamt sollten die beiden Begriffe Tendinitis und Tendinosis nur nach korrekter histopathologischer Untersuchung verwendet werden. (4) Dies ist jedoch klinisch selten eine sinnvolle Diagnostik, obwohl sich die Therapie stark unterscheidet. 

Hier sei noch angebracht, dass die Unterteilung in Tendinitis und Tendinosis vereinfacht ist. Häufig sind sowohl entzündliche, sowie degenerative Aspekte bei einer Tendinopathie vorhanden. Es ist also eher als Spektrum zu verstehen. Ebenfalls geht man davon aus, dass bei einer Tendinosis eine „Low grade inflammation“ besteht, welche sich jedoch nicht durch die klassischen Entzündungszeichen wie Überwärmung, Rötung oder Schwellung zeigt. 

Interessant ist übrigens, dass eine Tendinosis klinisch häufig stumm ist, das heisst sie verursacht keine Schmerzen. 4, 5 Bei der Obduktion von 70-jährigen Menschen findet man beispielsweise in 30-50 % der Individuen eine Tendinopathie.5 Häufig ist die Erstmanifestation einer Tendinosis eine Ruptur. Es kann jedoch auch eine Tendinosis gemeinsam mit einer schmerzhaften Paratendinopathie, also einer Entzündung oder Schädigung von Gewebe um die Sehne, vorkommen. 4 Die Frage, welche hier natürlich in Bezug auf FQAD aufkommt, ist, warum die Schmerzen beispielsweise der Achillessehne nach Einnahme von Ciprofloxacin, Levofloxacin und Co. so stark sind, obwohl zumeist keine akute Entzündung vorliegt wie nach einer Sportsverletzung? Mehr dazu in unserem Artikel über die Ursachen von Sehnenschmerzen. Als nächstes werden wir jedoch die generelle Ursache von Sehnenerkrankungen besprechen, um unser Wissen zum Thema Sehnen zu vertiefen.

 

Marco Karrer B.Med

Vielen Dank für die Mitarbeit: Andrea Gall (Rechtschreibung), Ferdinand Dirsch (SEO, Ergänzungen, Übersetzung ins Englische), Michael Rosar (Inhalt, Vereinfachungen), Patrick Horisberger (Inhalt, Vereinfachungen),


Erste Publikation: 28.05.2023
Update 15.01.2023

 

Quellen:

  1. Pathologie das Lehrbuch, G. Höfler, H. Kreipe, H. Moch 6. Aufl. 2019
  2. https://www.sports-health.com/sports-injuries/general-injuries/what-difference-between-tendonitis-tendinosis-and-tendinopathy#footnote1
  3. Tendinopathy: Why the difference between Tendinitis und Tendinosis Matters; 2012
  4. Biology of tendon injury: healing, modeling and remodeling P. Sharma and N. Maffuli; 2006
  5. Pathogenesis of tendinopathies: inflammation or degeneration? Michele Abate et al.
  6. Histologie das Lehrbuch, Ulrich Welsch, Wolfgang Kummer, Thomas Deller Elsevier 5. Auflage 2018
  7. https://www.amboss.com/de/wissen/Tendinopathie
  8. https://de.wiktionary.org/wiki/-pathie#:~:text=%2Dpathie-,%2Dpathie,mit%20der%20Bedeutung%3A%20Methode%2C%20Heilmethode

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